Historisch. Lesbisch. Neu: Invertito Nr. 24.

Aktuelles | | Lesezeit: 3 min

Das Jahrbuch des Fachverbands Homosexualität und Geschichte e. V. geht in die 24. Runde – erstmals mit lesbischem Schwerpunkt.

„Niemals, du Süße, wird sich ein Mann zwischen unsere Liebe drängen.“ – „Niemals, du Holde! – Höchstens ein Schutzmann!“ Mit der Karikatur „Frühlingsausflug des Berliner Damenklubs“, die 1909 in der Zeitschrift Simplicissimus erschien, bebildern Ingeborg Boxhammer und Christiane Leidinger ihren Invertito-Artikel „Staatlich-medial begrenztes Empowerment? Eine Geschichte der lesbischen Selbstorganisierung ‚Neue Damengemeinschaft‘ um 1900“ / Bildquelle: www.simplicissimus.info/volume/14

Nicht ohne Genugtuung stellt die Redaktion vom Fachverband Homosexualität und Geschichte e. V. im Vorwort der 24. Ausgabe ihres Jahrbuchs Invertito fest: „ … erfreulicherweise kann Invertito 24 erstmals mehrheitlich Hauptbeiträge präsentieren, die sich mit Frauen begehrenden Frauen beschäftigen – und zwar vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik. Stellenweise führt die Zeitreise, auf die das Buch die Lesenden mitnimmt, sogar noch weiter zurück. So fragt sich Lio Okroi im Beitrag Queering History“ auch, inwieweit der berühmte Freiburger Hexenprozess um Catarina Stadellmenin anno 1599 queer gelesen werden kann.

Den Kern des Buches bildet dann aber doch der ewige Widerstreit zwischen Emanzipation und drohender Verfolgung, dem die lesbischen Schicksale des 20. Jahrhunderts unterlagen. So machen Ingeborg Boxhammer und Christiane Leidinger in einem Aufsatz über die Neue Damengemeinschaft gleichermaßen den emanzipatorischen Aufbruch wie die Diffamierungskampagnen und gerichtlichen Schlammschlachten nachvollziehbar, die die lesbische Organisation schon während der Wilhelminischen Zeit auslöste. Steff Kunz, Muriel Lorenz und Mirijam Schmidt illustrieren unter anderem anhand exemplarischer Biografien wie der von Maria Plum (1894 – 1962), die 1928 als erste Frau in Freiburg eine eigene Rechtsanwaltskanzlei eröffnete und mit einer Frau zusammenlebte, das Hin und Her zwischen Aufbegehren und Versteckspiel, das die Lebenswege jener Generation lesbischer Frauen zeichnete. Kirsten Plötz wählt derweil für ihren Artikel, der das komplizierte Verhältnis lebischer Frauen zum westdeutschen Ehe- und Familienrecht zum Thema hat, ein Zitat von Jutta Oesterle-Schwerin (Bündnis 90/Grüne und 1989 erste offen lesbisch lebende Bundestagsabgeordnete) als Leitmotiv: „Die Angst davor durch offen-lesbisches Leben Kinder zu verlieren, ist sicher eine der massivsten Bedrohungen, durch die Frauen von ihrem Coming Out abgehalten werden.“

Doch nicht nur die Perspektiven von Frauen liebenden Frauen kommen im neuen Invertito-Jahrbuch zum Tragen. Im Anschluss ans Schwerpunktthema geht es unter anderem um die Ansichten über gleichgeschlechtliche Liebe des Naturforschers, Ethnologen und Pioniers der wissenschaftlichen Reiseliteratur Georg Forster (1754 – 1794), Eike Wittrock liefert Fragmente einer Chronik des schwulen Theaters 1956 – 1976“ (inklusive Tuntenkomödien, schwulem Sci-Fi und den theatralen Exkursen des Hubert Fichte), während Opernkritikerin Nora Eckert in ihrem Bericht Trans*Frau sein in hedonistischen Zeiten“ an ihre bewegten 70er Jahre mit Aretha Franklin, Lou Reed und Chez Romy“ erinnert.

Kreativ, innig, unsichtbar, unterdrückt – Lesbisches Leben in Deutschland im 20. Jahrhundert“ – so lautet der Untertitel des 24. Invertito-Jahrgangs. Wenn man so will lassen sich all diese Attribute auch auf diese Ausgabe und das Projekt Invertito im Allgemeinen anwenden. Indem der Fachverband Homosexualität und Geschichte e. V. queere Historie kreativ und innig abbildet, verhindert er, dass sie unsichtbar bleibt und unterdrückt wird. Oder wie Lio Okroi es im Invertito-Beitrag ausdrückt: Geschichte hat Einfluss auf die Gegenwart und darauf, wie wir uns und die Welt verstehen. Gleichzeitig wurde und wird sie vorrangig aus Sicht von reichen, weißen, heterosexuellen cis Männern geschrieben. Dabei werden queere, weibliche und rassifizierte Geschichtsanteile oft ausgeblendet oder negativ dargestellt. Queeres Erinnern kann diesen Narrativen neue Geschichten entgegensetzen.“

Zur Produktseite und Bestellung von Invertito, 24. Jahrgang

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