Zum Tod von Bastian Brisch
Unser Autor Bastian Brisch ist gestorben. Der 1942 geborene Sozialpädagoge stand für eine Generation, die ohne schwule Vorbilder und ohne eigene Räume den Weg in ihr Leben finden mussten. Finden? Wenn es doch nur eine einfache Suche gewesen wäre! Bastian Brisch ist in der süddeutschen Provinz aufgewachsen, wurde christlich erzogen und wählte die Kirche auch noch als Arbeitgeber. Der Druck der Verhältnisse führte ihn in eine Ehe; Bastian war Vater zweier Töchter. Die Familie und der Job forderten ihn und gaben ihm äußeren Halt. Es war sein Leben. Die Ablehnung und gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität hatten sich tief in das eigene Denken und Fühlen hineingefressen. Mit Mitte vierzig hat er es nicht mehr ausgehalten. Er ging auf die sechzig zu, als er uns sein Manuskript „Seitenwechsel“ anbot. In seinem Lebensbericht erzählt er vor allem von den fünfzehn Jahren, die dazwischen lagen, von den Hindernissen, Selbstzweifeln und Katastrophen, die er im Kampf um sein richtiges Leben überwinden musste. Schon als „Die Geschichte eines schwulen Familienvaters“ im Jahr 2000 im Männerschwarm Verlag erschienen ist, las sie sich wie ein Spagat zwischen zwei Welten. Einen konsequenten Bruch mit seinem alten Leben wollte und konnte er nicht vollziehen: zu viel Eigenes hätte er damit von sich abtrennen müssen. Gerade die innere Widersprüchlichkeit, mit der er zu kämpfen hatte, macht seinen „Seitenwechsel“ aber interessanter als viele glatte Coming-out-Geschichten, an deren Ende alle Probleme gelöst sind und der Held als strahlender Schwuler in der Szene steht. So findet sein Buch noch immer seine Leser. So ganz aus der Welt gefallen sind die Probleme, von denen es handelt, auch heute noch nicht.
Aber auch Bastian hat am Ende gestrahlt. Als wir gut zehn Jahre eine Neuausgabe geplant haben, habe ich ihn in seiner neuen Heimat Braunschweig besucht und für ein aktuelles Nachwort interviewt. Stolz hat er mir die Fotos von seiner Verpartnerung mit seinem Lebensgefährten Rainer gezeigt. Bastian hatte einen Freund und auch eine neue Familie gefunden. Eine seiner beiden Töchter gehörten immerhin dazu. Sein neues Leben hat ihm auch die Sicherheit gegeben, endgültig mit dem Versteckspielen aufhören zu können: Sein Pseudonym steht zwar noch immer auf dem Buchdeckel, im Innenteil erfährt man aber, dass er mit bürgerlichem Namen Rudolf Wisgalla hieß. Anfang März ist Rudolf Wisgalla im Alter von 80 Jahren gestorben. Unsere Gedanken sind bei seinem Freund Rainer.
Text: Detlef Grumbach