Herman Bang lebt!
Am 29. Januar jährt sich der Todestag des Schriftstellers Herman Bang (1857 – 1912) zum 110. Mal – für uns ein Anlass an eine Künstlerpersönlichkeit zu erinnern, die ihrer Zeit in vielen Belangen voraus war.
Thomas Mann schrieb anno 1902 über den dänischen Schriftstellerkollegen: „Jetzt lese ich beständig Herman Bang, dem ich mich tief verwandt fühle.“ Im Gegensatz zu Mann ging Herman Bang sowohl in seinem Werk als auch in seinem Auftreten offen mit seiner Homosexualität um. Sein Debütroman „Haabløse Slægter“ (1880) sorgte in Dänemark für einen Skandal und wurde wegen Obszönität verboten, weil dort die Hauptfigur William Hög eine Liebesaffäre mit einem ehemaligen Geliebten des eigenen Vaters beginnt.
Derweil wurde „Mikaël, De uden Fædreland“ (1904), ein Roman, in dem Bang basierend auf eigenen Liebesenttäuschungen und dem Leben von Auguste Rodin eine tragische Künstlerbiografie schildert, zum internationalen Erfolg. Der Stoff inspirierte zwei bedeutsame Werke der Stummfilmära: Mauritz Stillers „Vingarne“ („Flügel“) von 1916 gilt heute als erster „schwuler“ Spielfilm, bekannter ist dennoch Carl Theodor Dreyers Adaption aus dem Jahr 1924.
Herman Bang war nicht nur Romancier. Zu seinem Œuvre gehören Essays, Reportagen, Novellen und Erzählungen. Berühmt war er auch für sein Dandy-haftes Auftreten und seine Liebe zum Theater. Ursprünglich wollte er Schauspieler werden. Nur weil dieser Versuch scheiterte, begann er Ende des 19. Jahrhunderts jene Karriere als Journalist und Edelfeder des dänischen Feuilletons, der wir sein literarisches Werk verdanken.
In seiner Heimat Dänemark sah sich Bang zeit seiner Karriere Anfeindungen aufgrund seiner Homosexualität ausgesetzt, was ihn 1907 zum Umzug nach Berlin veranlasste. Er starb 1912 an den Folgen eines Schlaganfalls. Seit November 2021 erinnert an seinem ehemaligen Berliner Wohnhaus in der Fasanenstraße (das er als „Fasaneninsel“ bezeichnete) eine Gedenktafel an ihn. Gleichzeitig wurde nebenan im Literaturhaus eine Wanderausstellung über Bangs Leben und Werk vorgestellt, die 2022 an verschiedenen Orten gezeigt werden soll.
Für Männerschwarm ist der 110. Todestag ein willkommener Anlass zur Neu- und Wiederentdeckung des Bangschen Werks aufzurufen. „Haabløse Slægter“ liegt bei uns unter dem Titel „Hoffnungslose Geschlechter“ (mit einem Nachwort von Literaturhistorikerin Claudia Gremler) in deutscher Übersetzung vor, in der Bibliothek rosa Winkel der Roman „Michael“ (mit Bangs „Gedanken zum Sexualitätsproblem“ im Anhang).